In Abhängigkeit der wirtschaftlichen Lage in der DACH-Region, der Branche und der Nische, die ein Unternehmens besetzt, bietet sich In manchen Fällen ein Unternehmensverkauf an einen ausländischen Investor oder Strategen an.
Gängige Methoden zur Unternehmensbewertung, wie etwa das vereinfachte Ertragswertverfahren oder die EBIT-Bewertung basieren auf hiesigen steuer- und handelsrechtlichen Gegebenheiten. Sie finden daher im Ausland wenig Anwendung.
Das Discounted Cashflow-Verfahren hingegen basiert auf rechtlich unabhängigen, Annahmen und wird weltweit für M&A-Transaktionen verwendet.
Wir zeigen Ihnen, wie das Verfahren funktioniert.
Inhalt
Dieser Artikel basiert oder entstammt zur überwiegenden Mehrheit dem Buch „Unternehmenskauf und -verkauf, Nachfolgeregelung“ erschienen im Jahr 2010 (Verlag: Wissenschaft und Praxis) von Andreas Sattler, Dr. Hans-Joachim Broll und Stefan Nüsser.
1. Das Discounted Cashflow-Verfahren im Überblick
Im Gegensatz zum Multiplikatorverfahren, bei welchem vornehmlich die Erträge eines Unternehmens im Mittelpunkt stehen, werden bei der Discounted Cashflow-Methode (DCF) die Ausschüttungen des Unternehmens abgezinst.
Die Annahme, die dieser Methode zugrunde liegt, ist, dass für einen Investor die Frage im Mittelpunkt steht, in welchem Zeitraum er sein eingesetztes Kapital wieder zurückbekommen kann (Return on Investment). Aus diesem Grund steht bei dem Discounted Cashflow-Verfahren die Ausschüttungsfähigkeit des Unternehmens im Vordergrund. Diese hat jedoch nur teilweise etwas mit dem Jahresüberschuss zu tun, sondern vielmehr mit dem „Free Cashflow“.
In der Praxis wird der Unternehmenswert durch die Abzinsung der zukünftigen Free Cashflows aus jedem einzelnen Jahr ermittelt, d. h. der Wert des Unternehmens ergibt sich aus den finanziellen Mitteln, die in Zukunft jährlich aus dem Unternehmen ausgeschüttet werden können. Die Gewinne aus der Vergangenheit spielen hierbei nur eine untergeordnete Rolle.
Sie sind die Grundlage für die Zukunftsplanung, welche wiederum für die Ermittlung der Free Cashflows für die einzelnen Jahre erforderlich ist. Bei der Multiplikatormethode hingegen stehen Erträge (bzw. Gewinne) im Mittelpunkt.
Insgesamt lässt sich urteilen, dass das DCF-Verfahren ein investorengerechtes Verfahren ist, da sein Ansatz auf den vermuteten Zuflüssen an den Investor beruht, deshalb die ,Liquiditätswirklichkeit“ des Unternehmens und des Investors abbildet und somit in der Praxis die vermuteten Zuflüssen gewünschte Transparenz und Klarheit für Investorenentscheidungen bringt.
Dieses Verfahren ist jedoch im Vergleich zu Multiplikatorverfahren deutlich aufwendiger, da die Berechnung von Free Cashflows meist auch die Erstellung von Planbilanzen voraussetzt. Insbesondere bei stark wachsenden Unternehmen kann sich dieser Aufwand lohnen, da dann auch beispielsweise die Erhöhung des Working Capitals in der Planbilanz berücksichtigt wird, welches direkten Einfluss auf die Höhe des Free Cashflows hat.
International ist das DCF-Verfahren gebräuchlicher als die vornehmlich in Deutschland angewandte Multiplikatormethode.
Die Sattler & Partner AG ist eine international tätige Unternehmensberatung mit für mittelständische Unternehmen. Der Fokus unserer Tätigkeit liegt auf der M&A-Beratung und Beratung für Unternehmensverkäufe.
2. Vor- und Nachteile einer DCF-Bewertung
- International, einheitliche Betrachtungsweise: Der wissenschaftliche Ursprung der DCF-Methode liegt in der Investitionstheorie und genießt international Anerkennung. Die Einheitlichkeit dieses Bewertungsansatzes macht es zur geeigneten Methode, um den Unternehmenswert auch internationalen Interessenten nachvollziehbar darzustellen. Das begründet sich auch in der Unabhängigkeit von nationaler Rechnungslegung, da ausschließliche eine Bewertung der Cashflows, nicht aber des bilanziellen Gewinns erfolgt.
- Investorenfreundlichkeit: Für Investoren sind künftig zu erwartende Zahlungsströme die wichtigste Kennzahl, bei der Entscheidung für oder gegen eine Investition.
- Bedarf keiner Vergleichsdaten: Das Verfahren betrachtet alleinig die Zahlungsströme des Unternehmens und bedarf keiner Vergleichsanalyse von ähnlichen Unternehmen oder M & A-Transaktionen.
- Die der Berechnung zugrunde liegenden Daten müssen verfügbar und belastbar sein: Der Prognose über zukünftige Zahlungsströme liegen Annahmen zugrunde, die sich mit einer gewissen Sicherheit bewahrheiten müssen, damit der berechnete Wert eine Aussagefähigkeit hat. Desweiteren liegen insbesondere für kleinere mittelständische Unternehmen häufig keine Basisdaten vor.
- Die ausschließliche Betrachtung der Zahlungsströme kann Nachteile haben: In bestimmten Branchen beruht der Gesamtwert eines Unternehmens zum großen Teil auf Vermögenswerten. Diese werden beim DCF-Verfahren jedoch vernachlässigt.
- Der Diskontierungszinssatz kann realitätsfremd sein: Die Diskontierung beeinflusst das Ergebnis maßgeblich. Allerdings ist der ihr zugrundeliegende Zinssatz schwer zu ermitteln.
- Das Verfahren ist relativ komplex: Im Vergleich zum Multiplikatorverfahren ist das DCF-Verfahren eher aufwendig und komplex. In der Praxis trifft man häufig auf unkorrekte Berechnungen.
Fazit: Auch das DCF-Verfahren sollte in Kombination mit anderen Bewertungsmethoden verwendet werden. Die Geeignetheit ist für jeden Fall individuell abzuwägen.
3. Zwei unterschiedliche Ansätze
Das Discounted Cashflow-Verfahren kann im Rahmen zweier unterschiedlicher Methoden durchgeführt werden.
Die Bruttomethode ermittelt zunächst den Marktwert des Gesamtkapitals und daraufhin den Eigenkapitalwert, indem der Marktwert des Fremdkapitals subtrahiert wird.
Die Nettomethode ermittelt den Marktwert des Eigenkapitals direkt.
- Brutto-Methode / Entity-Methode: Der Gesamtwert wird berechnet, indem die Free Cashflows der nächsten Planjahre abgezinst werden. Zunächst wird die Struktur von Eigen- und Fremdkapital ignoriert. Für die Diskontierung stehen unterschiedliche Sub-Methoden zur Auswahl: Der Adjusted Present Value (APV)-Ansatz und der Weighted Average Cost of Capital (WACC)-Ansatz. Der WACC-Ansatz wiederum kann die Free Cashflows und Total Cashflows berechnen. WACC bezeichnet die gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten.
Unter Verwendung eines der genannten Verfahren werden eine Cashflow-Größe und ein Kapitalisierungszinssatz bestimmt. Auch wenn die Kennzahlen des DCF-Verfahrens international einheitlich sind, so sind dennoch nationale steuerliche Effekte auf die einzelnen Cashflows zu berücksichtigen.
Bei der Bewertung der finanzwirtschaftlichen Faktoren ist darauf zu achten, dass durch die Ungleichbehandlung von Eigen- und Fremdkapital Werte beeinflusst werden. Der Zinsaufwand für Fremdkapital ist steuermindernd, während Dividenden an Eigenkapitalgeber nicht steuerlich geltend gemacht werden können, sondern aus Gewinnen nach Steuern zu leisten sind.
- Netto-Verfahren / Equity-Methode: Die Equity-Methode ermittelt den Eigenkapitalwert direkt, indem lediglich die Cashflows, die dem Eigenkapitalgeber zuzurechnen sind, diskontiert werden. Für den Diskontierungszinsatz wird die Rendite vergleichbarer Anlagemethoden herangezogen.
In der M&A-Praxis wird fast ausschließlich die Entity-Methode verwendet und zwar mit der Berechnung des WACC, also der durchschnittlich gewogenen Kapitalkosten.
4. Die Konzepte zur Abzinsung
Betrachten wir im nachfolgenden die Berechnungsmethoden
4.1 APV-Ansatz
Die Adjusted Present Value (Angepasster aktueller Wert)-Methode ist ein Bruttoverfahren.
Zunächst wird der Wert des Gesamtkapitals ermittelt:
Unternehmenswert_APV = Marktwert_GK = Wert des unverschuldeten Unternehmens + Wert des Steuervorteils (durch Kapitalstruktur)
Im nächsten Schritt erfolgt die Ermittlung des Marktwertes des Eigenkapitals:
Marktwert_EK = Marktwert_GK – Marktwert_FK
Dieser Berechnungsansatz folgt der Annahme, dass das zu bewertende Unternehmen komplett aus Eigenkapital finanziert wird.
Darauf basierend wird der Unternehmenswert ermittelt.
Im Anschluss wird der positive Effekt der Fremdfinanzierung, durch die steuermindernde Wirkung der Zinsaufwendungen, diesem Wert hinzuaddiert.
Der unterstellte positive Effekt des Fremdkapitals basiert auf der Annahme, dass durch eine niedrige Verzinsung des Fremdkapitals, im Vergleich zur notwendigen Dividendenbeteiligung der Eigenkapitalgeber, der Unternehmenswert positiv gesteigert wird.
4.2 WACC-Ansatz
Der Weighted Average Cost of Capital-Ansatz findet in der M&A-Praxis häufig Anwendung.
Er tritt in zwei unterschiedlichen Varianten auf:
- FCF-Variante (Free Cashflows)
- TCF-Variante (Total Cashflows)
Der Unterschied liegt in der Behandlung des steuerlichen Vorteils.
Da der formale Unterschied nur minimal ist, wird fortlaufend lediglich die erste Variante behandelt.
4.2.1 FCF-Berechnung
Die Berechnung des Marktwertes des Gesamtkapitals, also des Unternehmenswertes, erfolgt durch die Addition und Diskontierung der zukünftigen Zahlungsströme der nächsten Planjahre.
Für die Diskontierung wird zunächst der WACC verwendet. Dieser muss zunächst berechnet werden.
Berechnung der Eigenkapitalkosten
Er setzt sich aus einem risikofreien Zinssatz (r), etwa von einer 10-jährigen Bundesanleihe, und einer Risikoprämie (Betafaktor) zusammen.
Die Risikoprämie wird nach dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) berechnet. Dafür wird das Risiko der Investition in eine Aktie eines dem zu bewertenden vergleichbaren, börsennotierten Unternehmen herangezogen. Das Risiko wird als Betafaktor wiedergegeben.
Der Betafaktor wird mit einer Marktrisikoprämie multipliziert. Diese wiederum leitet sich aus der durchschnittlichen historischen Rendite einer Investition in den DAX ab und liegt meistens zwischen 4 – 6 %.
Berechnung der Fremdkapitalkosten
Die Fremdkapitalkosten werden unter Berücksichtigung des Steuervorteils, der durch die steuermindernde Wirkung der Fremdkapitalzinsen entsteht, berechnet.
Fremdkapitalkosten = Zinssatz x Steuervorteil
Berechnung des WACC
Der WACC wird letztendlich wie folgt berechnet.
WACC = (langfristige EK-Quote x Kosten_EK) + (langfristige FK-Quote + Kosten_FK)
Berechnung des Unternehmenswertes
Mit dem WACC können nun die zukünftigen Zahlungsströme diskontiert werden. Dazu wird der Zahlungsstrom in der Periode t durch den Divisor 1 + WACC in der Periode t dividiert.
Wert Zahlungsstrom heute = (CF_t) / (1 + WACC_t)
Der Unternehmenswert wird durch die Subtraktion des Marktwertes des Fremdkapitals vom Marktwert des Gesamtkapitals berechnet.
Der Marktwert des Gesamtkapitals ergibt sich durch die aufsummierten und diskontierten Zahlungsströme:
Marktwert_GK = ⅀ ∞t=1(CF_t) / (1 + WACC_t)
Der Marktwert des Fremdkapitals ergibt sich aus der Summe der diskontierten Cashflows an die Fremdkapitalgeber. Zur Diskontierung werden die Fremdkapitalkosten verwendet:
Marktwert_FK = ⅀ ∞t=1(CFFK_t) / (1 + Kosten_FK_t)
Beide Ergebnisse werden zur Berechnung des Unternehmenswertes subtrahiert:
Unternehmenswert_WACC = Marktwert_GK – Marktwert_FK
5. Fazit: Aufwendige, aber nützliche Methode zur Unternehmensbewertung
Trotz des erhöhten Aufwands ist diese Bewertungsmethode Teil der gängigen M&A-Praxis. Jedoch wird meistens auf die Brutto-Methode in Kombination mit dem WACC-Ansatz zurückgegriffen.
Der internationale Charakter und die Betrachtung aus Investoren-Perspektive machen dieses Verfahren für Verkäufer und Käufer gleichermaßen attraktiv. Bei internationalen M&A-Transaktionen ist sie mitunter die erste Wahl.